Wohnungsmarktbericht NRW 2017

Wohnungsmarktbericht NRW 2017  27 26 Wohnungsmarktbericht NRW 2017 Anspannung der Wohnungsmärkte Anspannung der Wohnungsmärkte vergangenen Jahr war sogar wieder ein Anstieg zu ver- zeichnen – vermutlich auch, weil verstärkt Flüchtlings­ familien in den regulären Wohnungsmarkt überwechseln (Kap. 2.4). Insgesamt machten Alleinlebende zuletzt 48 Prozent, Familien mit Kindern 34 Prozent und Senioren 19 Prozent der wohnungssuchenden Haushalte aus. Diese Entwicklung ist ein weiteres Indiz dafür, dass einer- seits Alleinlebende, andererseits auch große Familien besondere und weiter zunehmende Schwierigkeiten haben, sich auf dem freien Markt mit Wohnraum zu versorgen. Zahl der Wohnungslosen steigt Eine weitere Gruppe, deren Situation sich mit der zunehmenden Marktanspannung verschlechtert hat, sind Wohnungslose. Der massive Rückgang verfügbarer einfacher Wohnungen erschwert zunehmend die Be­ mühungen der Kreise und Kommunen, diese Personen wieder in den Wohnungsmarkt zu integrieren. Mitte 2016 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 25.000 Wohnungslose gezählt. 22 Gegenüber dem Vorjahr (2015: 21.000) bedeutet das einen erheblichen Anstieg von knapp 20 Prozent. Die meisten von ihnen haben über- gangsweise bei Bekannten, Verwandten oder in Einrich- tungen der Wohnungslosenhilfe Obdach gefunden. Wohnfläche pro Einwohner in vielen Großstädten schon vor dem Flüchtlingszuzug rückläufig Unterfüttern lassen sich diese einzelnen Befunde mit einer klassischen Kennzahl der Wohnungsversorgung: Die Wohnfläche, die jedem Einwohner im rechnerischen Mittel zur Verfügung steht, nimmt infolge demografischer Alterung und steigenden Wohlstands eigentlich seit Jahrzehnten zu. In den vergangenen Jahren hat sich diese Entwicklung allerdings verlangsamt: So sind etwa in sehr angespannten Märkten biografisch bedingte Umzüge (Auszug aus dem Elternhaus oder nach einer Trennung, Auflösung von Studenten-WGs etc.) für viele nicht mehr im üblichen Ausmaß möglich. In vielen Groß- städten ist angesichts der nicht ausreichenden Bautätig- keit die hohe Anzahl von Zuzügen gar nicht anders er- klärbar, als dass Menschen im Wohnungsbestand näher zusammenrücken. In vielen Großstädten hat sich die mittlere Wohnfläche je Einwohner also schon in den Jahren 2011–2014 nicht mehr weiter erhöht (Abb. 2.3.3). Seit dem Flüchtlingszuzug von 2015 betrifft das zumin- dest rechnerisch 23 noch etliche weitere Städte. 22 MAIS NRW (2017): Integrierte Wohnungsnotfall-Berichterstattung in Nordrhein-Westfalen 2016 (www.mags.nrw/hilfe-bei-wohnungslosigkeit) . 23 Hinweis: Da die meisten Flüchtlinge im Jahr 2015 noch nicht auf dem regulären Wohnungsmarkt, sondern in Sammelunterkünften untergebracht waren, ist der sinkende Wohnflächenverbrauch 2015 eher ein rechnerisches Phänomen. Für 2016 stehen noch keine Daten zur Verfügung. 23a BBSR (2017): Integration von Flüchtlingen in den regulären Wohnungsmarkt. BBSR-Online-Publikation 21/2017, Oktober 2017 (www.bbsr.bund.de ) 24 Zum Beispiel Rheinische Post vom 15. August 2017: „Viele Flüchtlinge in NRW leben mittlerweile in Wohnungen“. Abb. 2.3.2: Wohnberechtigte Wohnungssuchende: relative Entwicklung der Haushaltsstruktur 110 100 90 80 70 60 50 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Daten: NRW.BANK (Bestands- und Besetzungskontrolle) NRW.BANK 2017 Index (Basisjahr 2007 = 100) > 3 Personen 3-Personen-Haushalt 2-Personen-Haushalt Alleinlebende Abb. 2.3.3: Mittlere Wohnflächeninanspruchnahme je Einwohner: Entwicklung 2011–2014/2015 Rückgang schon vor 2015 (24) Rückgang 2014–2015 (64) Zuwachs bis 0,5 m 2 (114) Zuwachs bis 1,25 m 2 (108) Zuwachs über 1,25 m 2 (86) Daten: IT.NRW (Wohnungs- und Gebäudebestandsstatistik, Bevölkerungsfortschreibung) NRW.BANK 2017 2.4 Flüchtlinge als Nachfrager auf dem regulären Wohnungsmarkt Flüchtlinge kommen auf dem regulären Wohnungsmarkt an Die erste Aufgabe, die Flüchtlinge der Jahre 2015 bis 2016 mit einer Unterkunft zu versorgen, ist bewältigt. Nun stehen die Städte und Gemeinden vor der Heraus- forderung, die Flüchtlingshaushalte auf dem regulären Wohnungsmarkt unterzubringen beziehungsweise bei der Wohnungssuche zu unterstützen. Erste Erfahrungen hat das BBSR vor kurzem am Beispiel von 10 Städten dar- gestellt und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet. 23a Darüber, wie die Flüchtlingshaushalte in Nordrhein- Westfalen untergebracht sind, gibt es keine offizielle Statistik. Die Daten zum Asylbewerberleistungsgesetz etwa (Kap. 1.4) beziehen sich nur auf die Personen, die (noch) nicht als Flüchtlinge, Asylberechtigte etc. aner- kannt sind. Allerdings führen viele Kreise und Kommunen dazu eigene Statistiken. Im August 2017 führte die Deutsche Presse Agentur (dpa) dazu eine Umfrage bei einigen Großstädten durch. 24 Danach schwankt der Anteil derer, die auf dem regulären Wohnungsmarkt angekommen sind, in Nordrhein-Westfalen zwischen 20 (Düsseldorf) und 80 Prozent (Dortmund). Entschei- dender Faktor ist die regionale Wohnungsmarktsituation: In Regionen mit Leerstandsreserven konnten viele Kommunen Flüchtlinge schon vor der endgültigen An­ erkennung in leer stehenden Wohnungen unterbringen, während andere angesichts von Engpässen im preis­ günstigen Segment auf neu errichtete Sammelunter- künfte setzen mussten. Die Mehrzahl ist zunächst wohl auf „angemessenen“ Wohnraum angewiesen Mit der Anerkennung eines Schutzstatus wechseln die Flüchtlinge – sofern sie nicht schon einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz gefunden haben – vom Sozialsystem des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) in die regulären Sozialsysteme, das heißt in der Regel den SGB-II-Bereich („Hartz IV“). Bei der Wohnungssuche sind sie deshalb auf den Teilmarkt Hartz-fähiger Woh- nungen angewiesen, der in den meisten Großstädten und prosperierenden Kreisen ohnehin schon sehr ange- spannt ist. Begrenzt wird das Angebot durch die Kosten- richtwerte (Höchstmieten) der Kommune. Eine Aus­ weitung durch Neubau ist nur in geringem Maß möglich. Um die Wohnraumversorgung von Flüchtlingen und anderen Transferleistungsempfängern sicherzustellen, werden viele Kreise und Städte nicht umhinkommen, ihre Mietobergrenzen anzuheben. Marktexperten: Erfolgschancen der Flüchtlinge bei der Wohnungssuche regional sehr unterschiedlich Im ersten Quartal 2017 fragte die NRW.BANK im Rahmen ihres Wohnungsmarktbarometers deshalb, wie gut die Integration der Flüchtlinge in den regulären Wohnungs- markt funktioniert (Abb. 2.4.1a). Danach antwortete die Hälfte der befragten Experten, sie laufe „eher schlecht“, immerhin ein Drittel stufte sie aber auch als „eher gut“ ein. Die regionale Auswertung der Antworten (Abb. 2.4.1b) bestätigt den engen Zusammenhang mit der Wohnungs- marktlage: Während fast 60 Prozent der Befragten aus dem Sauer- und Siegerland die Eingliederungschancen als „(eher) gut“ einschätzen, tun das in der Rheinschiene nur knapp 15 Prozent. Abb. 2.4.1: Einschätzung: „Die Eingliederung der Flüchtlinge in den regulären Wohnungsmarkt verläuft derzeit ...“ „sehr schlecht“ „eher schlecht“ „eher gut“ „gut“ Sauerland/Siegerland Ruhrgebiet Bergisches Land Ostwestfalen-Lippe Südwest-Rheinland Niederrhein Münsterland Rheinschiene 0 10 20 30 40 50 60 0 10 20 30 40 50 60 Daten: NRW.BANK (Wohnungsmarktbarometer 2017) NRW.BANK 2017 14% 59% 45% 42% 39% 38% 34% 23% 14% 50% 32% 4% Prozent N = 308 a) NRW (Mittelwert aller Antworten) b) nach Regionen (Anteil „eher gut“ und „gut“) Prozent

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